Die Welt auf 27 Megahertz

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9. April 2016 Öffentlichkeitsarbeit 0

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Smartphone und Internet zum Trotz: CB-Funker-Gemeinde wächst wieder


Von der Redakteurin
Claudia Kostner / Heilbronner Stimme

Wenn es wieder wärmer wird, werden wieder mehr Berge besetzt sein“, weiß Mirco Andrae alias „Morpheus“. Sein Lieblingsplatz ist der Heuchelberg bei Leingarten. Unterhalb der
Warte, auf 300 Metern Höhe, parkt er sein Auto, baut seinen 5,50 Meter hohen Alumasten mit zugehöriger Antenne auf, packt den Funkkoffer aus und nimmt Kontakt auf zur Außenwelt. Seit seiner Kindheit „in der tiefsten DDR“ ist Andrae CB-Funker. Vor etwas mehr als einem Jahr hat er die HN DX-Group gegründet mit mittlerweile 207 Mitgliedern.

Geheimnisvoll Die wenigsten kennt der Industriebuchbinder persönlich. Und genau das ist es, was ihn an seinem Hobby reizt: „Das Geheimnisvolle.“ Er habe viele Freunde, mit denen er schon jahrelang funke. „Aber ich weiß nicht, wie sie aussehen.“ Sie treffen sich nicht in
der Kneipe oder auf dem Fußballplatz, sondern auf 27 Megahertz, dem Elf-Meter-Band.„Jedermannfunk“ schimpft sich das. Da braucht man keine Lizenz“, erklärt Gabriel Ohmüller – einer der wenigen, die Mirco Andrae (36) von Angesicht zu Angesicht getroffen hat. Nachts um halb eins ist „Fledermaus“ spontan auf die Heuchelberger Warte gefahren,
um „Morpheus“, den Organisator des gerade laufenden FM-Contests, eines zweitägigen Funkerwettbewerbs, kennenzulernen. Ohmüllers QTH, wie der Standort in der Funkersprache genannt wird, ist normalerweise auf dem Geigersberg bei Lauffen. Häufig findet


„Sobald ich Mast und Antennenanlage
aufbaue, kommen
die Menschen, um zu schauen
und der Frequenz zu lauschen.“
Mirco Andrae


man ihn auch auf dem Cleebronner Michaelsberg. Aber egal, wo die CB-Funker auftauchen: Sie werden bestaunt. „Sobald ich Mast und Antennenanlage aufbaue, kommen die
Menschen, um zu schauen, Fragen zu stellen und ein bisschen der Frequenz zu lauschen“, beschreibt es Mirco Andrae. „Wird hier eine Fahne gehisst?“ – diese Frage hat Gabriel
Ohmüller schon manches Mal gehört, wenn er seinen 12,50 Meter hohen Fiberglasteleskopmast für die Antenne aufgebaut hat. Oft werden sie auch misstrauisch
beäugt. „Manche Wengertbesitzer mögen es nicht, wenn wir Löcher in den Boden hauen“, weiß Gabriel Ohmüller. „Aber sie dulden es.“ Der Staufenberg bei Heilbronn-Sontheim
sei mittlerweile für Funker gesperrt, weil immer wieder Müll herumlag. „Aber der war nicht von uns“, versichert Ohmüller. Der IT-Fachmann war schon als Teenager Mitglied in der Lauffener Ortsrunde „Kanal 13“. Nach mehr als 20 Jahren Pause hat ihn vor anderthalb
Jahren das Funkfieber erneut gepackt. Ein Freund hatte Gabriel Ohmüller auf den Michaelsberg mitgenommen, um ein neues Funkgerät zu testen. „Die erste Verbindung
war Amerika. Meine bisher größte Entfernung.“ „Normalerweise erreicht man Reichweiten von maximal 300 Kilometer Luftlinie“, schätzt Mirco Andrae. Das Nutzen von Amateurfunkgeräten oder Brennern als Verstärker ist für die CB-Freunde verboten.
Vieles hängt aber auch vom Funkwetter ab. „Manchmal hat man Glück: Das Band geht auf, und Du hörst die ganze Welt. Das kann zwei Minuten dauern, aber auch einen ganzen Tag“, ergänzt Ohmüller.

Funkalphabet Smartphone und Internet zum Trotz kehrten viele Altfunker
wie er zu ihrem Hobby zurück, meint der 46-Jährige. Das sieht Mirco Andrae durch die Mitgliederzahlen seiner HN DX-Group bestätigt: „Allein im März gab es 47 Neuanmeldungen“,
so der Massenbacher. Nur sechs Leute insgesamt kommen allerdings aus dem Landkreis
Heilbronn, gar keiner aus der Stadt. Und HN bedeutet auch nicht Heilbronn, sondern Hotel November– gemäß der den Buchstaben zugeordneten Wörter im internationalen
Funkalphabet. Den Stempel „altmodisch“ lässt sich die CB-Gemeinde nicht aufdrücken.
„Bei einem Angriff auf Deutschland, bei dem Handy- , Telefon- und Stromnetze ausfallen – wer wäre da gefragt, wer kann noch Verbindung


„CB-Funk verbindet. Egal,
ob armer Schlucker oder reicher
Mann, wir sind alle gleich
bescheuert.“
Gabriel Ohmüller


Verbindung zur Außenwelt aufnehmen?“, meint Ohmüller und verweist auf entsprechende Praxis in Erdbebengebieten. Die Ausrüstung jedenfalls ist dafür geeignet. Auch dank unabhängiger Stromversorgung. Trotzdem gleicht keine der anderen. Die einen
haben nur die „Handgurke“ im Auto. Andere sind ehrgeiziger. „Es gibt viel Selbstbau. Die kommerziellen Sachen sind zum Teil recht teuer“, weiß Ohmüller. Vom Walkie-Talkie
für 50 Euro geht es hoch bis zu 10 000 Euro. Aber genau das ist es, was ihm an seinem Hobby so gefällt: „CB-Funk verbindet. Egal, ob armer Schlucker oder reicher Mann, wir
sind alle gleich bescheuert.“

Kostenlos und für jedermann


Der CB-Funk (englisch: citizens band radio) ist eine Jedermannfunkanwendung
– ein öffentlicher, kostenfrei nutzbarer Sprech- und Datenfunk, dem ein Frequenzband um 27 Megahertz (Elf-Meter-Band) zugewiesen ist. Der dem CB-Funk zugeteilte Frequenzbereich
liegt am oberen Ende der Kurzwelle und reicht in Deutschland von 26,565 MHz bis 27,405 MHz (80 Kanäle), europaweit von 26,965 MHz bis 27,405 MHz (40 Kanäle). „Wir haben in der Region das Glück, in vier Bundesländern gut arbeiten zu können: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz sowie Teile von Hessen und Bayern“, erklärt Mirco Andrae. Der
Gründer derHN DX-Group organisiert Wettbewerbe für Funker. Mitte März nahmen am FM-Contest 118 Funker aus sieben europäischen Ländern teil. Im Juli findet der zweite Teil statt. Teil drei ist für Jahresende geplant. Weitere Informationen: www.hndx.de. ck


Veröffentlicht in der Heilbronner Stimme / Freitag 8. April 2016 / Seite 34 Leintal

 

 

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